Private Unfallversicherung
Ein Sturz von der Leiter beim Wechseln einer Glühbirne oder das Foul eines Gegners beim Kicken mit der Thekenmannschaft: Das Risiko eines Unglücks im Haushalt oder in der Freizeit ist groß. Zwar gehen die meisten Unfälle glimpflich ab. Doch wer einen bleibenden Gesundheitsschaden erleidet und dann etwa seine Wohnung behindertengerecht umbauen muss, sollte eine gute private Unfallversicherung haben. Die zu finden, ist nach Meinung von Verbraucherschützern aber nicht einfach.
[AD 107] Die Mühe lohne sich jedoch, sagt Michael Nischalke, Experte für Finanzdienstleistungen bei der Stiftung Warentest in Berlin. Eine Unfallversicherung sei ein sinnvoller Schutz für all jene, die keine Berufsunfähigkeitsversicherung abschließen können. Das könnte auf Selbstständige zutreffen, aber auch auf Kinder, Studenten, Hausfrauen oder -männer.
«Nur wer als Erwerbstätiger keine Berufsunfähigkeitsversicherung abschließen kann oder will, sollte wenigstens das Risiko der Invalidität durch einen Unfall absichern», sagt Martina Brehme von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg in Heidenheim. Die Entschädigung im Falle einer Invalidität richtet sich nach einer für Brehme «etwas makaberen» Gliedertaxe. Sie bestimmt den Grad der Invalidität und regelt, für welches dauerhaft geschädigte Körperteil wie viel Geld gezahlt wird.
Laut den Musterbedingungen des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) in Berlin bedeutet der Verlust eines Zeigefingers einen Invaliditätsgrad von 10 Prozent. Ein Bein bis unterhalb des Knies oder ein Auge würden mit 50 Prozent, eine Hand mit 55 Prozent und ein Arm mit einem Invaliditätsgrad von 70 Prozent veranschlagt. Viele Versicherer bieten der Stiftung Warentest zufolge aber auch bessere Gliedertaxen an.
«Die Unfallversicherung ist ein relativ preisgünstiges Produkt», sagt Katrin Rüter, Pressereferentin beim GDV. Ein Standardpaket koste etwa 150 Euro im Jahr. Und es sei eine Mär, dass bestimmte Risikosportarten wie etwa Kite-Surfen dabei ausgeschlossen sind - der Verbraucher müsse aber das richtige Produkt und den richtigen Tarif wählen. Ganz wichtig sei es daher, das Kleingedruckte zu lesen. Für Menschen mit Vorerkrankungen eigneten sich normale Produkte zum Beispiel kaum, schränkt Rüter ein.
Denn von der Invalidität ziehen die Versicherer oft einen Teil ab, wenn jemand an dem betreffenden Körperteil schon vor einem Unfall eine Beeinträchtigung durch Krankheit hatte, erläutern die Experten der Stiftung Warentest. Wer im Versicherungsantrag nach seinem Gesundheitszustand und früheren Unfällen gefragt wird, sollte nichts verheimlichen: «Schummeln hat dabei keinen Zweck.»
[AD 107] Im Hinblick auf die Versicherungssumme rät Nischalke zu 100 000 Euro. Außerdem empfiehlt er den Progressionstarif. Denn da entspreche eine 30-prozentige Invalidität einer Leistung von 40 000 Euro, während es beim Mehrleistungstarif und beim Linearen Tarif nur 30 000 Euro gebe.
Ein weiterer wichtiger Punkt in den Verträgen sind die Meldefristen nach einem Unfall. «Die private Unfallversicherung zahlt, wenn ein Arzt eine Invalidität spätestens nach drei Monaten feststellt und der Versicherte seinen Anspruch spätestens 15 Monate nach dem Unfall gegenüber der Versicherung geltend macht», heißt es beim GDV. Versicherer dürfen aber auch hier bessere Bedingungen anbieten.
Zusätzlich zur Hilfe bei Invalidität umfassen viele Policen auch Leistungen wie Krankentagegeld oder Genesungsgeld. «Grundsätzlich sind die nicht sinnvoll», sagt jedoch Martina Brehme. Der Verbraucher sei dann oft der irrigen Meinung, er bekomme diese Leistungen auch dann, wenn er einfach nur krank ist und im Krankenhaus liegt. Die unnötigen Extras verteuerten nur den Versicherungsschutz, so die Stiftung Warentest. Sinnvoll sei allein eine kleine Todesfallleistung.
«Man sollte sich überlegen, ob man das will», sagt GDV-Referentin Rüter über die Zusätze. Die könnten im Einzelfall sinnvoll sein. Auch bei einer Unfallversicherung mit garantierter Beitragsrückzahlung müsse der Kunde selbst entscheiden. Diese Versicherung sei einfach ein Sparprodukt wie viele andere auch. Verbraucherschützer raten aber von dieser Variante ab. «Der Sparvertrag ist von der Rendite her schlecht kalkuliert», sagt Martina Brehme. Sie empfiehlt grundsätzlich, Versichern und Sparen zu trennen.
Private Unfallversicherungen gibt es für jedes Alter. Relativ neu auf dem Markt sind Produkte speziell für Senioren. «Die Grundidee ist, die häusliche Selbstständigkeit zu fördern», erklärt Nischalke von der Stiftung Warentest. Die Versicherung biete neben Geld bei Invalidität auch Hilfeleistungen im Haushalt oder bei der Pflege. Nur wer das benötige, solle aber eine solche Police wählen. Sie koste erheblich mehr Geld als eine herkömmliche Police. «Mal abwarten, wie sich das entwickelt», sagt der Experte.
Vorsicht bei Unfallversicherungen mit Beitragsrückgewähr
Vor allem Rentner und junge Erwachsene sollten derzeit vorsichtig sein, wenn sie eine vermeintlich günstige Unfallversicherung abschließen. Ihnen werden nach Angaben der Verbraucherzentrale Brandenburg in Potsdam häufig Unfallversicherungen mit einer sogenannten Beitragsrückgewähr angeboten. Diese zahlten sich für die Versicherten aber selten aus.
Die angebotenen Policen finanzieren sich durch eine begleitende kapitalbildende Lebensversicherung. Die eingezahlten Beiträge würden aber erst Jahre nach Vertragsabschluss in Form einer Rente ausgezahlt, heißt es. Der garantierte Rückzahlungswert sei meist niedriger als die Einzahlungen. Die Verbraucherzentrale hat einen Fall dokumentiert, in dem eine Betroffene 90 Jahre hätte alt werden müssen, um annähernd die gezahlten Beiträge wieder herauszubekommen.
«Rentner brauchen außerdem gar keine Unfallversicherung, denn die gesetzliche Rente wird bei einem Unfall weiter gezahlt», erklärt Erk Schaarschmidt, Versicherungsexperte der Verbraucherzentrale. Bei jungen Menschen kann sich eine private Unfallversicherung zwar lohnen, wenn sie keine Berufsunfähigkeit-Versicherung abschließen können. Bekommen sie aber einen solchen Vertrag, sei dieser der Unfallversicherung vorzuziehen.
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