Mit dem verschenkten Haus gehen auch Rechte verloren
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Eine warme Hand gibt besser als eine kalte, sagt der Volksmund. Damit will er ausdrücken, dass Schenkungen zu Lebzeiten oft nicht nur steuerliche Vorteile haben. Sie geben zum Beispiel Hausbesitzern auch das gute Gefühl, dass der Nachlass geregelt ist. «Sich zu Lebzeiten zu entreichern sollte aber genau überlegt sein», sagt Notar Stefan Hügel aus Weimar. Denn wer sein Vermögen vor seinem Tod überträgt, beraubt sich größtenteils auch der Verfügungsgewalt: «Weg ist weg.»
So darf der Schenkende ein einmal überschriebenes Haus in der Regel weder verkaufen noch mit Hypotheken belasten: Die Nachkommen stehen als Eigentümer im Grundbuch. «Für den eigenen geschäftlichen Neuanfang, den Altersruhesitz im sonnigen Süden oder einen komfortablen Platz im Altersheim ist dann kein Geld mehr da», gibt Hügel zu bedenken. Vor allem wenn die Immobilie die einzige Absicherung darstellt, ist eine uneingeschränkte Übertragung also keine gute Idee. Im Zweifelsfall hält es der Notar daher mit der Maxime «Lieber behalten».
Auch wer sich entscheidet, sich noch zu Lebzeiten von seinem Vermögen zu trennen, kann Herr im Haus bleiben. «Je nach Motiv und Art kann ich jede Schenkung mit individuellen Bausteinen gestalten», sagt Anton Steiner, Vorstandsmitglied des Deutschen Forums für Erbrecht in München. Eine Möglichkeit ist ein in der Schenkungsurkunde festgeschriebenes Wohnrecht für den Übertragenden.
Eine andere ist der Nießbrauch - das umfangreiche Nutzungsrecht an der Immobilie einschließlich der Verwertung der Mieteinnahmen. «Die Kuh ist weg, aber ich kann weiter ihre Milch trinken», erläutert der Erbrechtexperte. So genannte Rückforderungsrechte greifen als «Notbremsen für Katastrophenfälle». Ohne sie stünden Schenkende ohne Ansprüche da.
Passende Klauseln helfen vorzubeugen. «Ich kann festlegen, dass ich beim Tod meines Kindes die Immobilie zurückfordere, damit die ungeliebte Schwiegertochter nicht zum Zug kommt», sagt Steiner. Und für den Fall, dass der Enkel «der Oma ihr klein Häuschen» gegen deren Willen verkaufen will, wirkt ein anderer ein Vorbehalt.
Sollten die Nachkommen Pleite gehen, kann ein Schutz vor dem Zugriff von Gläubigern festgeschrieben werden. Auch Ausgleichszahlungen für Geschwister sind vereinbar. Notare klären über Möglichkeiten auf, wie sich Schenkende Grundpfandrechte an der Immobilie sichern. «Um mir die Rückforderung vorzubehalten, muss es einen Vermerk im Kaufvertrag und im Grundbuch geben - das ist dann zu 100 Prozent wasserdicht», sagt Steiner. Bei der Formulierung der Vorbehalte sollte aber auch ein Steuerberater zu Rate gezogen werden.
Eine Übertragung ist aber nicht nur eine Frage des Geldes, sondern auch eine der Gefühle. Notare erleben ihre Klienten dabei häufig im Zwiespalt: Alte Menschen hätten einerseits das Gefühl: «Ich habe das schon erledigt». Andererseits gebe es die Sorge, ob nach der Schenkung der Kontakt zu Kindern und Enkeln erhalten bleibt, sagt Michael Rudolf, Vorstand der Deutschen Vereinigung Erbrecht und Vermögensnachfolge in Angelbachtal (Baden-Württemberg).
Diese Angst ist begründet: «Klimatische Veränderungen oder schlichtweg Unverschämtheiten» kommen nach Erfahrung von Rudolf häufig vor. Einkalkulieren sollten Schenkende auch, dass Kinder aufeinander losgehen können, wenn sich eines benachteiligt fühlt.
Auch beim Übertragen reinen Geldvermögens gibt es Einflussmöglichkeiten - wenn auch wenige. «Das ist eine Schenkung ohne Wenn und Aber», sagt Anton Steiner. Deshalb sollte vor allem das Wann und Wie genau geplant sein. So lassen sich Geldgaben an bestimmte Zwecke binden. Diese können in einer Verfügungsbestimmung festgehalten werden. Ob der Begünstigte das Präsent wirklich zweckgebunden ausgibt, steht auf einem anderen Blatt. «Theoretisch kann die Oma ihren Enkel auf Rückzahlung verklagen. Macht sie das? Nein!»
Zur Konfliktvermeidung empfiehlt Notar Hügel ganz pragmatisches Vorgehen: «Bestell Dir den Porsche und schick mir die Rechnung.» Ein anderer Weg ist die Ratenzahlung. Das erste Geld fließt sofort, der Rest abhängig vom Verhalten. Für minderjährige Kinder fungieren die Eltern als Treuhänder. Sie verwalten das Geld, bis die Sprösslinge volljährig sind.
Danach dürfen die Kinder im Prinzip mit dem Geld machen, was sie wollen. Eine Klausel, nach der das Kapital erst mit 25 Jahren entnommen werden darf, verhindert, dass die Summe sofort verjuxt wird.