Dividendenstrategie

Anleger gehen gern mit der Mode. Derzeit ist bieder angesagt. Hoch im Kurs stehen Aktien von Unternehmen, die Dividenden ausschütten. Diese Strategie gilt als solide, dabei sind entsprechende Wertpapiere nicht risikolos und auch nicht für jeden Anlegertyp geeignet. Dennoch brummt das Geschäft mit dividendenstarken Aktien, Fonds und Zertifikaten.

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Vorwiegend so genannte konservative Kleinanleger ziehen derzeit regelmäßige Erträge hohen Wachstumschancen vor - auch als Puffer für mögliche Kursverluste. «Dividendentitel sind etwas für langfristig orientierte Anleger mit hohem Sicherheitsbedürfnis und der Bereitschaft mindestens 5000 Euro zu investieren», erklärt Christine Helbig vom Deutschen Aktieninstitut (DAI) in Frankfurt. Drei bis fünf Jahre Geduld sollten Anleger schon mitbringen, erklärt Peter Grieble, Geldexperte der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg in Stuttgart. Für eilige Zocker sei die Dividendenstrategie eher nichts.

Dabei ist der Anreiz groß. Die Gewinne - und Dividenden - vieler großer börsennotierter Firmen sprudeln so heftig wie lange nicht mehr. Nach einer Studie der Landesbank Rheinland-Pfalz schütten die 30 im Deutschen Aktienindex (DAX) gelisteten Unternehmen in diesem Jahr 15 Milliarden Euro aus - und damit 40 Prozent mehr als im Vorjahr. .

Einige Banken bieten bereits Zertifikate auf den neuen Index DivDAX an. Die 15 dividendenstärksten DAX-Unternehmen sind darin vertreten. Die Nachfrage nach einer derartigen Messlatte sei bei Anlegern und Emittenten groß. «Dividendenrendite ist ein brennendes Thema im Markt», sagt Hartmut Graf, Leiter des Indexgeschäfts der Deutschen Börse in Frankfurt.

Auch Investmentfonds erleben einen großen Boom. Fondsmanager, die in solche Aktien investieren, werden geradezu mit Geld überschüttet. So hat ein Dividendenfonds eines großen deutschen Investmentunternehmens gerade ein Anlagevolumen von 2,5 Milliarden überschritten - dabei wurde er erst vor knapp zwei Jahren aufgelegt. Global orientierte Dividendenfonds haben laut einer Statistik des Online-Fondsinformationsdienstes «e-fundresearch» in Wien in den vergangenen 12 Monaten eine durchschnittliche Rendite von 18,4 Prozent erzielt.

Solche Zahlen beflügeln die Fantasien der Anleger und Investmentgesellschaften gleichermaßen. «Zurzeit drängen fast monatlich neue Dividendenfonds auf dem Markt», erklärt Christian Schreckeis, Analyst von «e-fundresearch». Derzeit seien 16 Dividendenfonds erhältlich.

Trotz des Erfolges: «Die Dividendenstrategie ist eine Modeerscheinung», ist Christian Schreckeis überzeugt. Sie sei immer dann angesagt, wenn - wie derzeit - der Marktzins niedrig und die Richtung an der Börse unklar ist. In den «goldenen Zeiten» des Börsenhochs vor dem Jahr 2000 hätten die meisten Anleger nur auf die explodierenden Aktienkurse Neuer-Markt-Firmen geschielt und sich nicht um Titel mit solider Dividende geschert, erinnert sich Christine Helbig vom DAI.

Hohe Dividenden sind laut Helbig zudem ein zweischneidiges Schwert. Vermögende Anleger seien im Nachteil. Unabhängig von der so genannten Spekulationsfrist müssen Dividendeneinnahmen versteuert werden, sofern der Sparerfreibetrag überschritten wird. Normalerweise bekommt das Finanzamt von Aktiengewinnen nichts ab, wenn die Wertpapiere ein Jahr lang nicht verkauft wurden.

Außerdem kann eine Dividende dafür sprechen, dass das Unternehmen nicht weiß, wo es sein Geld investieren soll. Das könne auf eine langfristig schlechte Strategie hindeuten. «Investitionen von heute sind Gewinne in der Zukunft», so Helbig. Sie warnt auch davor, von den Ausschüttungen der Vergangenheit auf künftige zu schließen. Läuft das Geschäft schlecht, verzichten Unternehmen nämlich darauf.

Aktiengesellschaften werben gern mit ihrer Dividendenrendite. Wer ihre Ertragschancen mit anderen Anlageformen vergleichen möchte, sollte den Börsenkurs im Auge behalten. Die Rendite errechnet sich anhand des Verhältnisses von Dividende und dem börsentäglich schwankenden Aktienkurs. «Was nützt eine hohe Dividendenrendite, wenn der Kurs einbricht. Dividendentitel sind Wertpapiere mit allen Risiken des Aktienmarktes», sagt Verbraucherschützer Peter Grieble. Allerdings verfügten sie über «ein unterdurchschnittliches Risiko.» Das bestätigt auch Christian Schreckeis. Solche Papiere wiesen geringere Kursschwankungen als Aktien von Unternehmen auf, die generell keine Dividende zahlen.

Dass der Dividendenregen bald versiegen könnte, glaubt Peter Grieble nicht, da sich in vielen Branchen kaum neue Geschäftsfelder auftun, in die investiert werden müsste. Allerdings hat Fonds-Experte Christian Schreckeis schon den nächsten Trend vor Augen. In den kommenden Jahren könnten wieder Aktien schnell wachsender Unternehmen die Nase vorn haben.