Lebensversicherung: Verkauf ist oft besser als Kündigung
Wer die monatlichen Beiträge zu einer Lebensversicherung nicht mehr zahlen kann, ist in einer misslichen Lage. Drei Wege stehen dann zur Verfügung: Die Kündigung, die Beitragsfreistellung und der Verkauf der Police auf dem sogenannten Zweitmarkt. Bei der Entscheidung sollten mehrere Dinge berücksichtigt werden, wie Jochen Ruß vom Institut für Finanz- und Aktuarwissenschaften (ifa) in Ulm erläuterte.
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So sollten Besitzer von Lebensversicherungen genau überlegen, ob sie ihre Police vorzeitig zu Geld machen. Denn durch einen Verkauf könnten zwar «versteckte Werte» in bare Münze umgewandelt werden. Es kann aber besser sein, sich von der Zahlung der regelmäßigen Beiträge befreien zu lassen. Denn wer Inhaber der Police bleibt, kommt später selbst in den Genuss der Gewinnausschüttung.
«Wenn man aus seiner Police aber unbedingt raus will, dann ist rein rational natürlich die ertragreichere Lösung die bessere», sagte Ruß. Im Vergleich zur Kündigung bringe der Verkauf einer Lebensversicherung in den meisten Fällen einen Gewinn im niedrigen einstelligen Prozentbereich: «Bei den meisten Verträgen liegen die Gewinne durch den Verkauf zwischen zwei und vier Prozent.»
In Deutschland sind seit 1999 einige Aufkäufer tätig. Es hat sich ein Zweitmarkt für gebrauchte Lebensversicherungen etabliert. Die 40 Unternehmen im Bundesverband Vermögensanlagen im Zweitmarkt Lebensversicherungen (BVZL) mit Sitz in München erwarben im vergangenen Jahr Policen im Gesamtwert von 1,4 Milliarden Euro. Dabei wissen nach Angaben des Verbands nur rund 20 Prozent der Deutschen, dass sie ihre Versicherung verkaufen können, wenn sie die Beiträge nicht mehr zahlen können oder wollen. Denn im Gegensatz zum Ausland gibt es keine gesetzliche Pflicht für Versicherer, die Kunden auf das Verkaufsrecht hinzuweisen.
Besonders gefragt sind bei den Aufkäufern Versicherungspolicen, bei denen schon mindestens die Hälfte der Laufzeit verstrichen ist, wie Ruß erläuterte: «Bei diesen Policen ist die Beteiligung an den Schlussüberschüssen schon absehbar.» Der Investor sichert sich durch den Kauf die Überschussbeteiligung.In Deutschland gibt es mehr als 90 Millionen Lebensversicherungs-Verträge. Jeder zweite wird vorzeitig gekündigt - häufig mit großen Verlusten für den Einzahler. Doch dazu gibt es inzwischen eine Alternative: Unternehmen kaufen die Policen ab und versprechen dem Versicherten einen Bonus zum Rückkaufwert. Doch vor einem solchen Verkauf sollten die Bedingungen genau geprüft werden. Denn auf diesem Markt tummeln sich bereits einige «schwarze Schafe».
Die Kapital-Lebensversicherung ist ein umstrittenes Produkt. Verbraucherschützer kritisieren sie als zu wenig transparent und renditeschwach, die Versicherungswirtschaft preist sie hingegen als sichere Form der Altersvorsorge. Ein Vorteil der kapitalgebundenen Lebensversicherungen war bisher das Steuerprivileg: Die Erträge waren nach zwölf Jahren steuerfrei. Bei Verträgen, die seit Anfang 2005 geschlossen wurden, sind nun 50 Prozent der Erträge zu versteuern.
Jeder zweite Vertrag wird vorzeitig gekündigt, heißt es beim Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) in Berlin. Sogar bis zu 80 Prozent der Verträge werden nicht bis zum Ende durchgehalten, also etwa beitragsfrei gestellt, sagt Thorsten Rudnik vom Bund der Versicherten (BdV) in Henstedt-Ulzburg bei Hamburg. 12,4 Milliarden Euro zahlten die Versicherungsunternehmen laut GDV im Jahr 2003 wegen Stornierungen aus. 2002 waren es noch 9,2 Milliarden Euro.
GDV-Sprecher Michael Gaedicke kann die hohen Kündigungszahlen nicht verstehen. «Man sollte den Vertrag auf jeden Fall durchhalten», rät er. Wenn der Kunde in einer finanziellen Notlage die Beiträge nicht mehr zahlen kann, biete sich immer noch die Möglichkeit, den Vertrag beitragsfrei zu stellen.
Dabei ist das vordringliche Motiv für die Kündigung auch in Zeiten von Hartz IV nicht wirtschaftliche Not. In einer Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach nannten nur 15 Prozent dies als Grund für die Kündigung. 26 Prozent hingegen wollen ihr Geld besser anlegen, erläutert das auf Lebensversicherungs-Ankauf spezialisierte Unternehmen cash.life in München, der Auftraggeber der Studie.
Den Wunsch nach einer besseren Anlage kann BdV-Versicherungsberater Rudnik gut nachvollziehen. Das Produkt Lebensversicherung sei auch deshalb unattraktiv, weil der vorzeitige Ausstieg meist mit Verlusten verbunden ist: «Bei Kapital-Lebensversicherungen werden Provisionen, Gebühren und sonstige Kosten am Anfang fällig und nicht etwa über den Versicherungsverlauf verteilt.» Durch diese so genannte Zillmerung sei die Kündigung der Versicherung besonders am Anfang meist mit hohen Verlusten verbunden. Der Verkauf einer Lebensversicherung sei gegenüber der Auflösung daher eine sinnvolle Sache, so der Experte.
Cash.life ist nach eigenen Angaben der größte Anbieter auf dem deutschen Markt. Viele andere Unternehmen treten lediglich als Makler auf und geben die Verträge an cash-life weiter. Vertriebsvorstand Lutz Schroeder verspricht den Kunden durchschnittlich drei bis sieben Prozent mehr Kaufpreis, als die Versicherung im Falle der Kündigung auszahlen würde. «In einigen Fällen können wir sogar mehr als zehn Prozent über dem Rückkaufwert ausbezahlen», sagt Schroeder.
Thorsten Rudnik warnt aber vor übertriebenen Erwartungen. «Unseren Erfahrungen nach liegen die Kaufpreise in vielen Fällen lediglich zwei bis drei Prozent über dem Rückkaufwert.» Und noch einen weiteren Wermutstropfen gibt es: cash.life nehme nur von rund der Hälfte der rund 120 deutschen Lebensversicherungs-Anbieter Verträge an. «Damit decken wir aber 85 Prozent des Marktes ab», erklärt Schroeder. Und es gibt noch weitere Einschränkungen: Versicherungspolicen, die verkauft werden sollen, dürfen nicht älter als 15 Jahre sein und müssen einen Rückkaufwert von mindestens 5000 Euro haben. Außerdem sind bestimmte Arten von Kapital-Lebensversicherungen grundsätzlich ausgeschlossen.
Cash.life-Vorstand Schroeder sieht aber auch noch einen Vorteil beim Verkauf der Versicherung im Vergleich zur Kündigung: «Unsere Kunden bleiben als versicherte Person im Vertrag stehen. Wir zahlen daher im Todesfall vor Versicherungsablauf an die Angehörigen die Todesfallsumme abzüglich des Kaufpreises und der von uns bezahlten Prämien aus». Der Verkäufer muss also - anders als bei einer Kündigung der Versicherung - nicht auf die Risikoabsicherung der Hinterbliebenen verzichten.
Das steigende Interesse am Verkauf von Lebensversicherungen nutzen inzwischen aber auch einige dubiose Anbieter aus. «Einige Unternehmen bieten beispielsweise einen 500 Euro höheren Kaufpreis als die Konkurrenz. Im Gegenzug wird nur ein Teil der Summe ausgezahlt, der Rest in monatlichen Raten», erzählt Versicherungsberater Rudnik. Von solchen Angeboten rät der Experte allerdings ab: «Der etwas höhere Kaufpreis hilft dem Kunden nichts, wenn das Unternehmen insolvent wird, bevor die volle Summe ausgezahlt wurde.» Außerdem habe der Käufer einen Zinsvorteil gegenüber dem Verkäufer.
Andere Anbieter zahlen den Wert der Lebensversicherung nicht in bar aus. Die Kunden können stattdessen ein Auto finanzieren lassen oder einen Urlaub buchen. Auch vor solchen Anbietern warnt Rudnik: «Die Kunden wollen die Lebensversicherung ja verkaufen, weil sie das Geld brauchen oder es in eine andere Anlageform stecken möchten.»